Reisew(i)ege der Baumwolle

Bremer Baumwollbörse
Stofffärbung

Die Sonderausstellung „100% Baumwolle“ im Bremer Übersee Museum ermöglicht einen Einblick in die Kulturgeschichte, welche die Pflanze seit 5000 Jahren schreibt, die Wege, die sie hinter sich legt und wagt auch einen Sprung in die Zukunft der Baumwolle in unserer Globalgesellschaft.

Zu finden in der Jeans, im Geldschein oder auch im Orangensaft: Baumwolle ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Die Baumwollfaser steckt in Kleidung, Nahrung sowie Kosmetik und war zugleich Motor der Industrialisierung und auch der Sklaverei auf den Plantagen – mit Folgen bis in die heutige Zeit. Schon früh entwickelte sich Baumwolle zu einer wichtigen Wertanlage und zum Tauschmittel und begleitete die Entstehung der Weltwirtschaft von Beginn an: Baumwolltuch ließ sich nämlich sehr gut über große Entfernungsstrecken transportieren und erhielt durch unterschiedliche Webmuster und Färbung eine besondere Wertigkeit. Bereits um das Jahr 1433 zahlten chinesische Untertanten Steuern in Form von Baumwolle. Auch diente Baumwolle beispielsweise zu religiösen Zwecken, wie der Umwicklung der Mumien, wurde in der Medizin angewandt oder als Tributzahlung für unterworfene Völker eingesetzt.

Im Jahr 1619 wurden die ersten 20 Menschen aus Afrika nach Nordamerika verschleppt und zu Arbeit auf den Plantagen gezwungen. Mit der Erfindung einer Maschine zum Entkörnen von Baumwolle im Jahr 1793 stieg die Produktion der Baumwollernte enorm; Baumwollplantagen und Sklavenhandel wurden noch lukrativer. Die ersten drei Ballen nordamerikanische Baumwolle erreichten Bremen im Jahr 1788. Im Jahr 1850 waren es bereits 150000. Die Tatsache, dass die Baumwolle durch Sklavenarbeit generiert wurde schien zweitrangig zu sein – Bremen als führender Umschlagplatz profitiert enorm vom System der Sklaverei. Die Bremer Baumwollbörse war an den Anbauversuchen des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (KWK) in Togo und Deutsch-Ostafrika beteiligt; so auch die Bremer Baumwollspinnerei und -weberei und auch die Handelsunternehmen F. Oloff & Co., J.K. Vietor und Friedr. M. Vietor Söhne. Die Bremer Baumwollbörse führte Qualitätsbestimmungen an der Kolonial-Baumwolle durch und hatte u.a. auch eine Berater-Funktion beim KWK inne.

Heute wird Baumwolle vornehmlich in den Staaten China (ca. 25% der Weltproduktion), Indien (ca. 25%), USA (ca. 13%), Brasilien (ca. 10%), Usbekistan (ca. 4%) und Pakistan (ca. 4%) produziert.

Besuch eines Workshops

Das Team des ZHRF besuchte den interdisziplinären Workshop „Der Rezipient ist im Werk – Differenzerfahrung und Adressatenbezug in Reisedarstellungen des 15.–18. Jahrhunderts“, der vom 29.09. bis 30.09.2022 an der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt stattfand. 

Bis heute prägen Reiseberichte unsere Vorstellungen von anderen Ländern und Menschen, von Fremdbild und (europäischem) Selbstbild.

Ausgehend von einer medien- und kulturhistorischen Perspektive ging der Workshop der Frage nach, was die frühneuzeitlichen Autoren ihren Lesern wie mitteilen wollten. Galt auf dem Buchmarkt tatsächlich immer „travel sells“ oder mussten die Autoren bestimmte Erwartungen des Publikums erfüllen? Wie spiegeln sich diese Erwartungen in den Reiseberichten wider?

Inwiefern lenkten der Zweck der Reise oder die sozialen und beruflichen Prägungen des Reisenden seine Aufmerksamkeit?

Aufgrund der großen Konkurrenz auf dem Buchmarkt musste jeder Reisebericht etwas Einzigartiges besitzen, aber zugleich auch Wiedererkennungseffekte ermöglichen, um bei seiner potentiellen Leserschaft Aufmerksamkeit hervorrufen zu können. Daher dachten die Autoren bereits beim Verfassen des Reiseberichts an die Erwartungen und das Wissen der Adressaten, an die sich die Publikation richten sollte. Durch eine möglichst sinnesnahe Beschreibung sollte die geographische Distanz der Leser zum persönlichen Erleben des Autors überbrückt werden.

Als spezifisch für die Erfahrungsvermittlung in der Frühen Neuzeit wurde herausgearbeitet, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr genügte, lediglich an einem Ort gewesen zu sein, sondern dies musste auch glaubwürdig dargestellt werden. Hierbei halfen die von der Reise mitgebrachten (Natur-)Objekte, die aber auch zur Ansprache anderer Rezipientenschichten verwendet wurden. Die Reiseberichte können heute auch als wichtige Hilfe im Bereich der Museologie bei Fragen der Provenienz oder Sammlungsgeschichte, insbesondere bei Naturalia, dienen. Hier wird die Gegenwart zum – allerdings unintendierten – Rezipienten frühneuzeitlicher Reiseberichte.

Einen ausführlichen Tagungsbericht können Sie bei HSK einsehen:

https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-135557

Museumsbesuch

Mit dem Titel „Zeitreisen vom 16. Bis 20. Jahrhundert“ könnte man eine Ausstellung umschreiben, die vom 1. Februar bis zum 31. März 2023 in der Mediathek Emile Zola in Montpellier als Teil eines Langzeitprojekts zur Sozialisierung des schriftlichen Kulturerbes veranstaltet wurde. Die Ausstellung ermöglichte es dem Publikum, mit Homer die Odyssee zu erleben, mit dem Hobbit durch Mittelerde zu reisen, mit Don Quichotte auf einem Esel Abenteuer zu bestehen und mit Fregattenkapitän Doudart de Lagrée die Hindutempel zu entdecken, mit Madeleine de Scudéry durch die Carte du Tendre zu reisen, mit dem Zug durch die Gorges du Tarn zu fahren, in Brasilien Maraca zu tanzen, mit Alexandra David-Neel die verbotene Stadt Lhasa zu betreten und schließlich mit Dante Aligheri im Paradies zu landen, um nur einige der vielen dargestellten Stationen zu nennen.

Im Laufe der Ausstellung lässt sich das Publikum auf mythische Reisen, Initiationsreisen, Reisen durch die Zeit und Begegnungen mit anderen Menschen mitnehmen. Die Schätze aus den Beständen der zentralen Mediathek Émile Zola bilden eine fröhliche Bande, farbenfroh und voller Unterschiede. In diesem Abenteuer findet man Exponate aus allen Epochen, Bücher, Fotografien, Plakate, einen seltsamen englischen Regenschirm, der sich in einen Globus verwandelt, einen einzigartigen Koffer und eine ganze Wand voller Postkarten, man findet aber auch viele anregende Dokumente, Bücher und Bilder aus der Frühen Neuzeit. Eine spannende Reise in die vielfältigen Reisewelten vergangener und gegenwärtiger Zeiten.