FORSCHUNG

Der 1769 in Berlin geborene Forschungsreisende Alexander von Humboldt schuf mit seinem international anerkannten und rezipierten Oeuvre einen umfassenden Wissens- und Reflexionsrahmen globaler Prägung. Mehrjährige Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerika, in die Vereinigten Staaten und nach Zentralasien. Er betrieb in diesem Zusammenhang Feldstudien in vielfältigen naturwissenschaftlichen Bereichen, aber auch in der Wirtschaftsgeographie, der Ethnologie und der Demographie. Er korrespondierte – wie andere Wissenschaftler der Frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts auch – mit zahlreichen Experten der entsprechenden Fachrichtungen und schuf damit im modernen Sinne ein eigenes wissenschaftliches Netzwerk. Sich sehr wohl bewusst seiend, dass gesellschaftliche, wirtschaftliche und naturbezogene Entwicklungen aus vielschichtigen Interdependenzen resultieren, gilt er in jüngster Zeit auch als Pionier des ökologischen Denkens. 

Humboldt and Aime Bonpland at the Foot of the Chimborazo Volcano. 1810. Friedrich Georg Weitsch.

In Anknüpfung an einen derartig weit gefassten und global verstanden Forschungskontext setzt sich das ZHRF zum Ziel, genuine historische Grundlagenforschung interdisziplinär mit Forschungsansätzen anderer Fachrichtungen zu verknüpfen, neue technologische Möglichkeiten der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz zu nutzen, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern und damit letztlich indirekt auch einen Beitrag zu grundlegenden Fragestellungen unserer Zeit zu leisten. 

Aufbauend auf wissenschaftlichen Nachwuchstagungen und Ringvorlesungen, die in den Jahren 2014/15 von der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) gefördert wurden und sich mit Reisenden im Ostsee- und Mittelmeerraum vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart, mit der Kartographie des Raumes und dem Blick auf fremde Welten befassten, fokussiert sich das ZHRF gegenwärtig auf Naturdiskurse in Reiseberichten der Frühen Neuzeit und auf historisch-anthropologische Diskurse über indigene Bevölkerungsschichten im Zeitalter frühneuzeitlicher Entdeckungsreisen. 

Angestrebt wird mittelfristig in Kooperation mit einschlägigen wissenschaftlichen Einrichtungen aus dem Bereich des Bibliothekswesens, der Informatik und der künstlichen Intelligenz eine systematische Erschließung sämtlicher frühneuzeitlichen Reiseberichte unter Zuhilfenahme des semantischen Web. Innovative Fragestellungen und wissenschaftliche Methoden verbunden mit internationalen und interdisziplinären Ansätzen in der Lehre sollen dabei neue Impulse in internationaler Forschung und Lehre setzen.