„Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind”, schrieb einst Samuel Johnson, einer der nach William Shakespeare meistzitierten englischen Autoren, dessen in den Jahren 1747 bis 1755 erarbeitetes Dictionary of the English Language bis heute alle ähnlichen Lexika der englischen Sprache beeinflusst hat und dessen Reise nach Schottland und zu den Hebriden im Jahre 1773 literarischen Niederschlag im Journey of the Western Isles of Scotland fand.
Frühneuzeitliche Vorstellungen im Sinne von Samuel Johnson mit Wirklichkeiten abzugleichen und die Dinge nach Möglichkeit so zu sehen, wie sie waren, gehört zu den Zielsetzungen des 2022 gegründeten Zentrum für Historische Reiseforschung (ZHRF), das sich auch gegenüber Reisen in jüngerer Vergangenheit und Gegenwart jenseits des Massentourismus aufgeschlossen zeigt.
Lange Zeit in erster Linie Domäne literaturwissenschaftlicher Forschungen, ist die Überlieferung von rund 9.000 gedruckten Reiseberichten aus der Frühen Neuzeit eine sehr ergiebige und bislang nicht ansatzweise systematisch erschlossene Quelle für interdisziplinäre Forschungsansätze im Allgemeinen und historische Forschungen im Besonderen. Aus der Geschichte der Frühen Neuzeit kommend, interdisziplinären, interinstitutionellen und internationalen Kooperationen gegenüber aufgeschlossen, neue Technologien und künstliche Intelligenz mit menschlicher Intelligenz und traditionellen hermeneutischen und heuristischen Methoden verbindend, geht es uns unter anderem auch darum, Selbst- und Fremdbilder zu untersuchen, Literaturwissenschaft, Anthropologie, Kunstgeschichte, Geographie und Geschichte im Interesse eines wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns zu betrachten und dabei insbesondere auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zu fördern. Anders gesagt, es geht uns darum zu lesen und zu reisen, in der Hoffnung ehemalige und gegenwärtige Welten besser zu verstehen.