Bericht über die Ausstellung “Ferne Länder, ferne Zeiten” im Folkwang Museum Essen

Im Folkwang Museum Essen war vom 15. März 2024 bis zum 7. Juli 2024 die Ausstellung „Ferne Länder, ferne Zeiten. Sehnsuchtsfläche Plakat“ zu sehen, die die Entwicklung und Wirkung von Reiseplakaten als „Sehnsuchtsflächen“ vom späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart nachzeichnete. Die Kuratoren trugen rund 240 historische und zeitgenössische Plakate zusammen, die von zahlreichen Photochromen, Postkarten und dem Nachbau eines Kaiserpanoramas ergänzt wurden.

Die Ausstellung bot nicht nur einen visuellen Einblick in die Ästhetik und die Veränderungen der Reisewerbung über die Jahrzehnte hinweg, sondern wurde zusätzlich durch die literarischen Beiträge der Schriftstellerin Felicitas Hoppe bereichert, die für die Ausstellung „literarische Kopfreisen“ verfasste und sie selbst für die Museum Folkwang-App einsprach. Diese Texte boten den Besuchern eine zusätzliche Dimension der Reflexion und Interpretation und können im Ausstellungskatalog sowie in einem Begleitbuch nachgelesen werden.

Zur Zeit der Jahrhundertwende waren Reiseplakate für eine kleine, sehr wohlhabende Bevölkerungsschicht bloße Werbung. Für das Gros der Bevölkerung waren diese jedoch etwas anderes – Sehnsuchtsflächen, die es den Betrachtern erlaubten, sich an Orte zu imaginieren, von denen feststand, dass sie diese vermutlich niemals selbst sehen würden. Auf diese Art und Weise dienten die Plakate dazu, um Fernweh zu stillen.

Für Reisen um 1900 lag den Fokus auf den beiden touristischen Hauptreisezeiten. Im Sommer traten viele Reisende die Flucht aus überhitzten, staubigen Großstädten an. Daher wurden im überwiegenden Anteil der Plakate die Badeorte des Mittelmeerraums, aber auch der Alpenraum beworben. Im Winter konnte man entweder der Kälte an die Riviera oder nach Nordafrika entfliehen oder sich in den Alpen den eisigen Vergnügungen des Wintersports hingeben. 

Neben Plakaten wurden in der Ausstellung weitere Medien gezeigt, die zur Zeit der Jahrhundertwende einen Blick in die Ferne erlaubten. Neben Postkarten und Photochromdrucken (lithographisch kolorierte Photographien) bot sich für die Besucher der Ausstellung die Gelegenheit, ein nachgebautes „Kaiserpanorama“ zu benutzen.

Bei diesem ersten modernen Massenmedium konnten mehrere Personen gleichzeitig durch Gucklöcher stereoskopische Bilderserien betrachten, die einen Eindruck von der Exotik ferner Länder vermitteln sollten.

Als Auftraggeber der Reiseplakate traten nicht nur die Regionen und die Hotels in Erscheinung, sondern auch Eisenbahngesellschaften wie beispielsweise die Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL), die unter anderem den berühmten Orientexpress betrieb. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, der die Reisetätigkeit stark einschränkte, blieb die Gestaltung der Plakate in einem einheitlichen, sehr malerisch gehaltenen konventionellen Stil, der jedoch zeitgenössische künstlerische Entwicklungen wie Jugendstil oder Art Nouveau nicht aufgriff.

Die Gestaltung der Plakate änderte sich erst im Verlauf der 1920er und insbesondere in den 1930er Jahren. Beeinflusst vom mondänen Stil des Art decó oder der Neuen Sachlichkeit, spiegelte sich in den Plakaten die fortschreitende Technisierung wider. So standen nun der Zug als Reiseziel selbst und insbesondere die gesteigerten Reisegeschwindigkeiten, die bis zum 130 Kilometer pro Stunde erreichen konnten, im Fokus.

Auch wurden nun nicht nur mondäne Badeorte an der Riviera oder exotische Traumziele wie Ägypten oder Konstantinopel beworben, sondern auch nähergelegene Regionen. Durch die Einführung von bezahltem Urlaub in der Weimarer Republik, konnten nun auch breitere Bevölkerungsschichten eine Reise antreten, für die ein passendes Angebot bereitgehalten wurde. Neu ist, dass neben Landschaften nun auch vermehrt urbane Architekturen als lohnende Reiseziele in Szene gesetzt wurden.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurde der Urlaubsanspruch erhöht. Die NS-Organisation „Kraft durch Freude“ (KdF) bot organisierte und subventionierte Reisen an, die neben der Stärkung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft auch der Stärkung der Arbeitskraft dienen sollten.

Dies spiegelte sich auch in den Plakaten wider: so wurde nach dem Anschluss Österreichs im Jahre 1938 der Großglockner als höchster Berg Deutschlands beworben.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren Flugzeuge zumeist noch als Gefahrenquelle im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung, was sich jedoch durch die Berliner Luftbrücke 1948/49 änderte, bei der die britische Royal Air Force und die us-amerikanische US Air Force Westberlin durch über 275.000 Transportflüge versorgten. Eine Urlaubsreise mit einem Flugzeug konnten sich jedoch nur sehr wenige Menschen leisten, wobei mit dem Wirtschaftswunder auch in Deutschland der Bedarf zunahm.

Ab 1955 nahm die neugegründete Lufthansa den Flugverkehr mit Linienflügen auf. Die zeitgleiche Einführung von Strahltriebwerken durch Pan Am läutete das Zeitalter der Passagierjets und zugleich des beginnenden Massentourismus ein, der nun auch große Entfernungen überwinden konnte. In den 1950er Jahren beauftragten einige Airlines namhafte Künstler, ganze Plakatserien zu entwerfen, die durch ihre künstlerische Qualität und innovative Gestaltung hervorstechen. 

Mit dem Reisen in Zeiten von Nachhaltigkeitsforderungen und Klimakrise setzten sich Studierende der AMD Akademie für Mode und Design in Düsseldorf auseinander und stellten beispielsweise die Dichte des heutigen Flugverkehrs in einer Animation von sich überlagernden Kondensstreifen dar.

Am Schluss der Ausstellung wurde die Plakatserie „The Grand Tour: Jupiter / Saturn / Uranus / Neptun“ der NASA aus dem Jahr 2019 präsentiert, die für ferne Ziele im Weltraum warb. Diese stellt somit eine aktuelle Form der Sehnsuchtsfläche dar, bei der jedoch unklar ist, ob diese Reiseziele jemals von Menschen werden können.