ZENTRUM FÜR HISTORISCHE REISEFORSCHUNG (ZHRF)

Mit dieser über die Zeitenläufe hinweg Bestand habenden Erkenntnis leitete Albert Etienne Montémont seine in den Jahren 1833 bis 1836 veröffentlichte vielbändige Universalbibliographie der Reisen ein, „die seit den ersten Entdeckungen zu Wasser oder zu Land in den verschiedenen Teilen der Welt unternommen wurden“. Bekannt war Montémont jedoch nicht nur für seine Reiseberichte, sondern auch dafür, dass er die gesammelten Werke des englischen Dichters, Schriftstellers und Verlegers Walter Scott ins Französische übersetzte, zur damaligen Zeit einer der meistgelesenen Autoren und Mitbegründer des Geschichtsromans, von Fontane als „Shakespeare der Erzählung“ und von Goethe als bester Erzähler seiner Zeit charakterisiert.

Wie die oben genannte Maxime und die sich anschließenden kurzen Erläuterungen andeuten, bildet die frühneuzeitliche Reiseliteratur ein vielseitiges Forschungsfeld im Spannungsfeld historischer und literarischer Forschungen, Transkriptions- und Translationsforschungen, geographischer, kunstgeschichtlicher und anthropologischer Betrachtungen, medizin-, natur- und technikgeschichtlicher Fragestellungen. Sie bietet darüber hinaus vielfältige Möglichkeiten interdisziplinärer Untersuchungen im Hinblick auf Menschenbilder, Transformationsprozesse, auswärtige Beziehungen, wissenschaftlichen Fortschritt und ökologischen Wandel, um nur einige Beispiele zu nennen.

Bislang weitestehend Fachgebiet der Literaturwissenschaft, ist die historische Reiseforschung jedoch als aus sich selbst heraus ein spannendes Forschungsfeld. Diesem widmet sich das 2022 gegründete Zentrum für Historische Reiseforschung (ZHRF), wobei ein Schwerpunkt auf den „Digital Humanities“ liegt und ein weiterer auf der nationalen und internationalen Nachwuchsförderung. Es geht dabei nicht nur um das Reisen an sich, seine Praktiken, Wege und Ziele, sondern auch um unterschiedliche Formen der Fremd- und Selbstwahrnehmung, um Weltbilder und Menschenbilder, um Reisen von Frauen und Männern, Adligen und Geistlichen, Handwerkern und Bildungsbürgerinnen und Bildungsbürgern, um diplomatische Missionen oder militärische Konfrontationen. Es geht auch um Migration, Flucht und Vertreibung oder ganz allgemein formuliert letztlich darum, unser Wissen und unsere Horizonte vergangener und gegenwärtiger Welten durch neue wissenschaftliche Methoden und Untersuchungen zu erweitern.